Die Lücke im System schließen
Wenn der Hausarzt Feierabend hat und es eine Akut-Situation gibt, bleibt den Mitarbeitern einer Pflegeeinrichtung oft nur die Möglichkeit, die 112 zu wählen. Dabei bedeutet ein nicht unbedingt notwendiger Aufenthalt im Krankenhaus vor allem eines: Belastungen für die Betroffenen. Hier setzt die Studie optimal@NRW der Uniklinik RWTH Aachen an und überzeugt im Seniorenzentrum Wassenberg nicht nur die Angehörigen.
Wassenberg. Es ist das, was sich Gisela Weber schon immer für ihre Mutter gewünscht hat: Im Fall einer Akut-Situation nicht den Rettungswagen anzurufen, sondern, wenn möglich, die Einweisung ins Krankenhaus zu vermeiden.
Das hat sich auch optimal@NRW zum Ziel gesetzt: neue Wege gehen, um die Versorgung von geriatrischen Patienten zu verbessern. Über 700.000 Menschen in Deutschland werden vollstationär in einer Pflegeeinrichtung betreut – so auch die Mutter von Gisela Weber. Sie lebt im SZB Wassenberg. Verschlechtert sich ihr Gesundheitszustand, tritt beispielsweise hohes Fieber auf, organisiert das Pflegepersonal medizinische Hilfe, meist beim Hausarzt. Steht dieser – mittwochs oder freitags nachmittags oder an Wochenenden – nicht zeitnah zur Verfügung, bleibt ohne Telemedizin nur die Möglichkeit, den Rettungsdienst zu alarmieren. Die Folge sind Krankenhauseinweisungen, die potenziell vermeidbar wären und die Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeeinrichtungen körperlich sowie psychisch stark beeinträchtigen. „Wegen dieser Lücke im System ist auch meine Mutter schon ins Krankenhaus eingewiesen worden, was für sie eine absolute Stresssituation war“, erinnert sich Gisela Weber.
Das SZB Wassenberg beteiligt sich deshalb, wie andere stationären Einrichtungen der Heinrichs Gruppe auch, an der Studie optimal@NRW der Uniklinik RWTH Aachen. Die Studie ist ein vom Innovationsfonds mit rund 15 Millionen Euro gefördertes Projekt, an dem sich 25 Altenheime in Stadt und Städteregion Aachen, im Kreis Düren und Heinsberg beteiligen. Die Studie ist in drei Phasen gegliedert:
Datenerhebung (Phase 1), Ausstattung mit Telemedizin (Phase 2), Einsatz der Telemedizin (Phase 3). Das Projekt läuft bis zum 31. März 2024. „Wir wollen die Hausärzte entlasten, denn sie haben irgendwann auch mal Feierabend. Der Innovationsfonds ermöglicht die Bereitstellung eines rund um die Uhr besetzten Telefons, mithilfe dessen die Pflegekraft immer einen Arzt erreicht, der per Telesprechstunde gemeinsam mit der Pflegekraft eine Entscheidung trifft, wie im konkreten Fall verfahren werden kann“, erläutert Dr. med. David Brücken, medizinischer Projektleiter optimal@NRW.
Die Schnittstelle zwischen der Pflegekraft einerseits, die ihren Bewohner gut einschätzen kann und kennt und die Expertise des Arztes andererseits – damit könnte die Lücke des Systems geschlossen werden und zu einem neuen Miteinander zwischen Pflegekraft und Arzt führen. Darauf freuen sich die Mitarbeiter im SZB Wassenberg: „Der Ortswechsel, fremde Personen, unklare Situationen – all das bedeutet für unsere Bewohner Stress. Alles, was in der gewohnten Umgebung stattfinden kann, ist für jeden der Bewohner und auch für uns Pflegekräfte ein Gewinn.“ Das sieht auch Gisela Weber so. „Diese Lösung erscheint mir sehr sinnvoll. Es erspart nicht nur meiner Mutter den Stress, sondern gibt den Pflegekräften vor Ort Sicherheit“, sagt Gisela Weber. Nach Ablauf der Studie im Jahr 2024, ist es das erklärte Ziel, das Prinzip in die Regelversorgung aufzunehmen.
Infobox
Interessierte Ärzte aus der Umgebung und Angehörige können sich gerne direkt unter www.ukaachen.de/optimal@nrw informieren oder sich an die Hotline 0241/80 38899 wenden.