Teilnahme an optimal@NRW: Studie der RWTH Aachen
Aachen. Ein neues Innovationsfonds-Projekt der Uniklinik RWTH Aachen ist heute offiziell gestartet: Optimal@NRW. Im Fokus steht die Verbesserung der medizinischen Akutversorgung geriatrischer Patienten in stationärer und ambulanter Pflege.
Konsortialführer ist Priv.-Doz. Dr. med. Jörg Christian Brokmann, Leiter der Zentralen Notaufnahme der Uniklinik RWTH Aachen. Das Projekt wird über einen Zeitraum von vier Jahren mit 15 Millionen Euro aus dem Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) gefördert. In den kommenden zehn Jahren wird es wesentlich mehr Menschen geben, die über 65 Jahre alt und pflegebedürftig sein werden. Die Anzahl von heute 3,5 Millionen wird auf über 4 Millionen in Deutschland steigen „Diese Entwicklung verändert nicht nur den Blick auf Alter und Gesellschaft, wir haben es auch mit einer tiefgreifend veränderten Struktur der Patientinnen und Patienten zu tun. Kurz gesagt: Die Menschen werden immer älter und kränker“, erklärt Priv.-Doz. Dr. Brokmann. Die hausärztliche Versorgung sieht sich damit vor besondere Anforderungen gestellt, ebenso das Pflegepersonal in Altenpflegeeinrichtungen sowie ambulante Pflegedienste. Hier setzt das neue Projekt Optimal@NRW an (= Optimierte
Akutversorgung geriatrischer Patienten durch ein intersektorales telemedizinisches Kooperationsnetzwerk rund um die Uhr). „Mit Optimal@NRW wollen wir die medizinische Akutversorgung verbessern und inadäquate Krankenhauseinweisungen
geriatrischer Patienten in stationärer und ambulanter Pflege vermeiden. Denn oft ist das mit gravierenden Folgen wie einem Delir oder Verwirrtheitszuständen für die älteren Menschen verbunden“, so der Konsortialführer.
Digitaler Tresen und Frühwarnsystem
Das Innovationsfonds-Projekt Optimal@NRW etabliert einen „virtuellen digitalen Tresen“, der für pflegebedürftige Personen einen bedarfsgerechten, telemedizinisch unterstützten Zugang zur Notfallversorgung sicherstellt. Zugleich wird die Behandlung durch eine interdisziplinäre medizinische Betreuung aus einem Versorgungsnetzwerk optimiert. „Ergänzend setzen wir ein neues Frühwarnsystem in der ambulanten und stationären Altenpflege um, das mittels einheitlicher Bewertungskriterien den sich verschlechternden Gesundheitszustand frühzeitiger erkennen und die erforderliche Versorgung rechtzeitiger initiieren soll“, erklärt Priv.-Doz. Dr. Brokmann. Konkret funktioniert das so: Wenn das Frühwarnsystem alarmiert oder es zu einer medizinischen Akutsituation beziehungsweise Fragestellung kommt, kontaktieren die beteiligten Pflegekräfte die Arztnotrufzentrale (116 117). Dort erfolgt eine standarisierte Ersteinschätzung. Anschließend findet – je nach Dringlichkeit – eine situations- und verfügbarkeitsbezogene Weitervermittlung an den Hausarzt, an den KV-Notdienst oder den Notfallmediziner der Notaufnahme der Uniklinik RWTH Aachen statt. Wenn die Maßnahme nicht vom Pflegepersonal vor Ort durchgeführt werden kann, hat der
Arzt die Möglichkeit, die Pflegekraft an eine mobile entlastende Versorgungsassistentin des Versorgungsnetzwerkes zu delegieren. Diese ist mit telemedizinischen Equipment ausgestattet und wird durch die Arztrufzentrale NRW koordiniert. „Dank der Möglichkeit der Pflegeheime und Pflegedienste, eine Telekonsultation mit einem Arzt des neu etablierten Netzwerkes durchzuführen, werden unnötige Wegezeiten und Krankenhaustransporte verringert und vorhandene Ressourcen in enger Kooperation mit den niedergelassenen Ärzten optimiert eingesetzt“, erläutert Priv.-Doz. Dr. Brokmann eines der Ziele.
Das System funktioniert auch im Notfall: Wird bei der Ersteinschätzung eine lebensbedrohliche Notfallsituation festgestellt, erfolgt seitens der Arztrufzentrale NRW die digitale Weiterleitung an eine der Rettungsleitstellen (112) der Region Aachen. Im Rahmen des Projektes Optimal@NRW wird die Arztrufzentrale NRW (116 117) mit den Rettungsleitstellen (112) in der Region Aachen zusammengeführt. Erhobene Vitalparameter der teilnehmenden Pflegebedürftigen werden automatisch in einer Informations- und Kommunikationsplattform hinterlegt und sind von allen an der Behandlung beteiligten Akteuren einsehbar. Somit ermöglicht das Projekt die modulare Etablierung innovativer intersektoraler Strukturen, auf deren Basis die Zusammenarbeit von ambulant tätigen Ärzten, Krankenhäusern, Pflegeheimen, ambulanten Pflegediensten und dem Rettungsdienst patientenzentrierter durchgeführt werden kann.
Aktuell wichtiger denn je
Die Medienberichte im Rahmen der Corona-Krisen haben gezeigt, wie groß der Bedarf an einer optimierten sektoren- und systemübergreifen medizinischen und pflegerischen Versorgung geriatrischer Patienten ist. „Die Expertise und die Zusammenarbeit aller an der Behandlung geriatrischer Patientinnen und Patienten Beteiligten war in den letzten Wochen gefragt wie nie“, so Priv.-Doz. Dr. Brokmann. „Wir sind mit den Inhalten des Projektes zur rechten Zeit an der richtigen Stelle.“
Zahlreiche Konsortial- und Kooperationspartner
Konsortialführer ist Priv.-Doz. Dr. med. Jörg Christian Brokmann, Leiter der Zentralen Notaufnahme der Uniklinik RWTH Aachen. Konsortialpartner sind die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein (KVNO), die Techniker Krankenkasse (TK), die DAK-Gesundheit, die IKK classic, die Barmer und die Universität Bielefeld – AG 5. Zu den Kooperationspartnern gehören die Ärztekammer Nordrhein, AOK, BKK Nordwest, die Region Aachen – Zweckverband, die Rettungsdienste der Stadt Aachen, der Städteregion Aachen, der Kreise Heinsberg und Düren sowie das Zentralinstitut für die Kassenärztliche Versorgung in Deutschland (ZI). Insgesamt werden an das Projekt 3.500 Pflegebedürftige aus Aachen, Heinsberg und Düren
angeschlossen. Die Evaluation der Wirksamkeit und der Kosten der neuen
Versorgungsform wird von der Universität Bielefeld durchgeführt.
Foto: Uniklinik Aachen